Digitale Demokratie

Digitalisierung und Öffentlichkeit in Brasilien

Fake News und Justiz – Können gerichtliche Entscheidungen gleiche Bedingungen für Streitigkeiten schaffen?

Diskussion schließt die vom FGV DAPP realisierten Webinarreihe ab

Die Webinarreihe „Gegen Fake News in sozialen Netzwerken vorgehen“ brachte wichtige Persönlichkeiten für die Bekämpfung der Desinformation zusammen. Ziel war es, darüber nachzudenken, wie strategisch das Einreichen gerichtlicher Klage sein kann. Die am 10. September durchgeführte Debatte schloss die Veranstaltung, die Teil des vom Vorstand für Evaluation öffentlicher Politiken der Fundação Getulio Vargas mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft Brasília realisierten Projekts „Digitalisierung und Demokratie in Brasilien“ ist, ab. Die Teilnehmer boten unterschiedliche Ausblicke auf das komplexe Verhältnis zwischen Meinungsfreiheit und Schutz der individuellen Freiheit in Brasilien und in Deutschland.

Die derzeitige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, stellte Erfahrungen aus europäischer Perspektive in der Hauptkonferenz vor. Die Diskussion an diesem Tag beschäftigte sich mit dem Thema Fake News und Justiz – Können gerichtliche Entscheidungen gleiche Bedingungen für Streitigkeiten schaffen? und wurde vom Journalisten Iago Bolivar (Jota.info) moderiert. Die ehemalige Bundesjustizministerin fokussierte ihre Rede auf die Maßnahmen gegen Desinformation und Hassreden im juristischen Kontext. Dazu gehört die Verabschiedung eines Gesetzes im Jahr 2017 (Enforcement Act), das die Verbreitung von beleidigenden, diffamatorischen, verleumderischen und vorurteilsbehafteten Diskursen auf deutschem Staatsgebiet untersagt und bestraft. Das Gesetz zieht die Plattformen zur Verantwortung für die Identifizierung und die Löschung schädlicher Inhalte.

Barley wies in ihrem Vortrag noch auf zwei große Herausforderungen hin. Der eine besteht darin, den Schutz der individuellen Rechte zu gewährleisten, ohne dass die Aufrechterhaltung der Meinungsfreiheit übersehen wird. Der andere bezieht sich auf die Entwicklung von Mechanismen, die die Identifizierung von Fake News präzisieren, da es im Fall der Verbreitung von Desinformationen im Vergleich zu Hassreden schwieriger ist. Die darauffolgende Diskussionsrunde wurde von Patrícia Campos Mello, Journalistin bei der Zeitung Folha de S. Paulo und Autorin des Buches A Máquina de ódio (Die Hassmaschine), das in diesem Jahr vom Verlag Companhia das Letras veröffentlicht wurde, geführt. Die Reporterin bekräftigte dieselben Bedenken im brasilianischen Kontext. Sie betonte die Schwierigkeit, aus dem Binarismus herauszukommen, der die Verbotsversuche bezüglich schädlicher Praktiken dem Risiko, den gewöhnlichen Bürger zu verdrängen, gegenüberstellt. Ihrer Meinung nach soll dieser das Recht haben, seine Meinungen zu äußern.

Die Debattenreihe verdeutlichte, dass die Sackgassen und Dichotomien, die in den Aktionen zur Bekämpfung der Desinformation und der Produktion von Hassreden identifiziert wurden, eine artikulierte Aktion, die verschiedene soziale Akteure miteinbeziehen, verlangen. Dazu zählen Nichtregierungsorganisationen, die sich mit Informationsverarbeitung beschäftigen, und die Akademie, die an der Entwicklung von Forschungen beteiligt ist. In der Diskussionsrunde des dritten Veranstaltungstages stand Michael Meyer, Geschäftsführer der NGO Democracy Reporting International, dafür ein, dass die Rechenschaftspflicht der Plattformen die Problematisierung des Inhaltes der Desinformation betrifft, sofern sie über Mittel verfügen, die solchen Inhalt abbauen können. Aus der Sicht des Nutzers vermeint Meyer, dass digitale Bildung in bereits polarisierten Umgebungen keine Wirksamkeit haben, aber wichtig sein wird, damit Individuen sich nicht weiter voneinander entfernen.

In derselben Diskussionsrunde machte Pedro Abramovay, Geschäftsführer der Open Society Foundations in Lateinamerika, auf die Notwendigkeit aufmerksam, die sozialen Institutionen selbst, deren Werte in digitaler Umgebung umgeformt werden, zu überdenken. Er erinnerte daran, wie die traditionellen und hoch glaubwürdigen Pressekanäle den Zugriff auf Artikel und Daten mit tieferen Analysen der nationalen Realität erschwerten, indem sie beispielsweise den Zugriff auf solche Inhalte auf Abonnenten beschränkten. Währenddessen fördern Dienste wie der von WhatsApp stark die Dezentralisierung der Informationsverteilung. Laut dem Rechtsanwalt ist diese Plattform eine emblematische Umgebung für das Verständnis des Phänomens der Desinformation im brasilianischen Kontext und muss ausführlicher untersucht werden.


.

Newsletter

Newsletter abonnieren