Das Webinar „Kommunikation und nachhaltige Entwicklung: Das Bild der Umweltpolitik und des Klimawandels in sozialen Medien“ brachte Vertreter*innen der Exekutive, des dritten Sektors, der Presse und Akademiker sowohl aus Brasilien als auch aus dem Ausland zusammen, um die Nachhaltigkeit im Rahmen der digitalen öffentlichen Kommunikation zu diskutieren. Die Veranstaltung, die am 2. Juni stattfand, war Teil des Projekts Digitale Demokratie, das vom Vorstand für Evaluation öffentlicher Politiken der Fundação Getulio Vargas mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft Brasília realisiert wird. Amaro Grassi, Koordinator des Projektes und des FGV DAPP, eröffnete das Programm und betonte unter anderem, wie wichtig es ist nachzuvollziehen, wie die sozialen Medien die Wahrnehmung des Klimawandels seitens der Bürger*innen bestimmen.
Während seines Vortrags thematisierten die Teilnehmer*innen die Existenz eines großen Kampfs von Narrativen, welche durch die Vielzahl der Akteure auf Social-Media-Plattformen angeheizt wird. Ein Streit, der nicht nur die öffentliche Debatte beeinflusst, sondern auch die Schaffung öffentlicher Politiken. Helder Barbalho, Referent des Webinars, Gouverneur des Bundesstaates Pará und Mitglied des Forums der Gouverneure der Region Amazônia Legal, setzte sich für eine öffentliche Kommunikation ein, die dem Schutz des Regenwaldes neue Bedeutungen verleiht. Dabei erinnerte er daran, dass der Ruf, die Region in den 1970er Jahren zu besiedeln, bis vor Kurzem die Beherrschung und Zerstörung der Natur als ein Zeichen des Fortschritts voraussetzte. Der Gouverneur sprach ebenfalls über die Schwierigkeit, die Desinformation über die Umweltschutzprotokolle und gesetzlichen Vorschriften unter den Landwirten zu bekämpfen. Im Zuge dessen erklärte er, dass Regelung und Bestrafung allein die Kultur der Entwaldung nicht ändern können. Zu diesem Zweck verteidigte Barbalho ein Narrativ, das auf der Wirtschaft basiert und den Regenwald als eine Quelle des Wohlstands und der Entwicklung darstellt.
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Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), ging das Thema ähnlich an: In Deutschland gehören Wirtschafts- und die Umweltpolitik zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Er argumentierte, dass diese Artikulierung die Entwicklung von Umwelttechnologien ermöglicht, welche seiner Meinung nach einen wachsenden Markt in Deutschland darstellen. Bonde schrieb diesem Szenario die breite Unterstützung der in sozialen Netzwerken gut repräsentierten öffentlichen Meinung zu: „Es gab immer viele Akteure der Zivilgesellschaft in dieser Debatte und an dieser Stelle soll auch erwähnt werden, dass die öffentliche Meinung in Deutschland eine bedeutungsvolle Auswirkung auf die Umweltpolitik hat“, sagte er. Der DBU-Vertreter unterstrich die Rolle der Umweltbewegungen dabei, von den lokalen Bewegungen, die in den 1980er Jahren im Land entstanden sind, bis hin zu den jüngsten internationalen Bewegungen wie Fridays for Future, die mit der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg verbunden sind.
„Über Kommunikation und Nachhaltigkeit zu sprechen, heißt über die Bedeutung der öffentlichen Meinung zu sprechen.“ Mit diesen Worten begann Vivian Fasca, Fundraising-Direktorin von Greenpeace Brasilien, ihre Teilnahme an der Diskussionsrunde. Sie hob die Bedeutung der sozialen Medien für Umweltschutzorganisationen hervor: Sie dienten nicht nur der Vermittlung von Vorwürfen und Kritiken, sondern vor allem der Schaffung vielfältiger Debatten über nachhaltige Entwicklung. Angesichts mancher Barrieren, die es in Brasilien gibt – wie beispielsweise im Bereich der Bildung –, erkannte sie jedoch die große Schwierigkeit, einige Themen in die öffentliche Debatte über Umwelt einzubinden: „Die größte Herausforderung der umweltbezogenen Kommunikation ist es, Wege zu finden, die solche Debatten in den Augen der durchschnittlichen brasilianischen Bürger*innen vereinfachen und fördern (…) und solche Fragen in den Alltag der breiten Bevölkerung verankern“, so Fasca.
Marcel Gomes, Journalist und Geschäftsführer der NGO Repórter Brasil, glaubt, dass es eine komplexere Aufgabe ist, die öffentliche Meinung mit Informationen zu versorgen als diese Themen bekannt zu machen. Er wies auf jüngste Umfragen hin, denen zufolge ca. 90 % der Brasilianer Aktionen zur Umweltschutz unterstützen. Allerdings ist die Formulierung öffentlicher Politiken mit einer zahlenmäßig kleinen, aber politisch sehr präsenten Minderheit verbunden, deren Narrative beispielsweise Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung disqualifizieren. Gomes stellte eine Reihe von Initiativen vor, die diesem Szenario entgegentreten: Medienpräsenz und gemeinsame Arbeit von Organisationen, Bildung von kritikfähigen Lesern, Bildungsangebot für Content Creators und Produktion neuer Narrative mittels der Nutzung von Daten.
Aus einer anderen Perspektive, aber in offenem Dialog mit den anderen Teilnehmern, schlug Paulo Nassar, Direktor und Präsident des brasilianischen Verbandes für Unternehmenskommunikation (Aberje), eine anthropologische Lesart des Themas vor: „Wir können an eine Nutzung digitaler Geräte ausgehend von neuen Informationsritualen denken“. Nassar, der auch Professor an der Hochschule für Kommunikation und Kunst der Universität São Paulo ist, verteidigte die strategische Nutzung der Kommunikation nicht als Konfrontation, sondern als Gespräch: „Strategisch zu sein bedeutet, Dialoge zu fördern“. Diese Idee tauchte in den Schlussworten von Marco Ruediger, Direktor des FGV DAPP, wieder auf. Er betonte die Notwendigkeit, die internationalen und nationalen Narrative über die Verteidigung des brasilianischen Territoriums in der Amazonasregion nicht dichotomisch zu verstehen, sondern sie als sich gegenseitig ergänzende Narrative zu artikulieren: „Es ist eine internationale, aber auch eine nationale Frage. Brasilien ist für dieses Gebiet zuständig und kann dessen Internationalisierung nicht einfach hinnehmen. Allerdings ist es offensichtlich, dass es ein Abkommen geben muss, in dem sich Brasilien innerhalb des Globalisierungsuniversums versteht“, schloss Ruediger.
Das Webinar „Kommunikation und nachhaltige Entwicklung: Das Bild der Umweltpolitik und des Klimawandels in sozialen Medien“ war die dritte Veranstaltung des Projektes Digitale Demokratie und wurde von dem Demokratieforum Europa-Brasilien und der Heinrich-Böll-Stiftung Rio de Janeiro unterstützt.