Digitale Demokratie

Digitalisierung und Öffentlichkeit in Brasilien

Digitale Kampagnen des Kongresses

Themen und Agenden, die von Kongressabgeordneten im Jahr 2022 auf Facebook diskutiert wurden

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1. Executive Summary

Zusammenfassung:

Die vorliegende Studie analysiert die Inhalte, die im Rahmen der brasilianischen Wahlkampagnen 2022 auf Facebook von Kongressabgeordneten gepostet wurden. Es wurden 75.335 Postings analysiert, die zwischen dem 16. August und dem 2. Oktober, dem Tag der ersten Wahlrunde, auf der Plattform von 499 Abgeordneten veröffentlicht wurden. Die Beiträge wurden mittels des von Facebook/Meta zur Verfügung gestellten Werkzeugs CrowdTangle erfasst und anhand der Themenmodellierung analysiert. Um die von den gewählten Abgeordneten mobilisierten Strategien und wichtigsten Themen zu verstehen, untersuchte die Studie die Menge an Interaktionen und den Inhalt der Beiträge unter Berücksichtigung der politischen Partei und des ideologischen Standpunktes der Abgeordneten. Aus diesem Grund stellt die Analyse der Nutzung digitaler Plattformen seitens der gewählten Abgeordneten sowie der Strategien und Schwerpunkte dieser Abgeordneten einen Beitrag zur aktuellen Legislaturperiode dar.

Schlüsselwörter: Wahlkampagne; politische Diskussionen; digitale Plattformen.

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

  • Während der Wahlkampagnen wurden 75.335 Postings von 499 gewählten Abgeordneten erfasst. Unter den Abgeordneten, die am häufigsten gepostet haben, sind Marco Feliciano (PL-SP) mit 998 Beiträgen, Gleisi Hoffmann (PT-PR) mit 753 und Carla Zambelli (PL-SP) mit 702 hervorzuheben. Was die Menge an Interaktionen pro Beitrag angeht, so sticht die Basis der Liberalen Partei (PL), von der der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro das wichtigste Mitglied war, durch unter anderen Zambelli, Feliciano und Carlos Jordy hervor;
  • Zu den am meisten diskutierten Themen gehören Frauenrechte, Religion, Tierschutz, Ausbildung und Korruption. Während die verstärkte Präsenz von linken Abgeordneten in der intersektionalen Debatte über Frauen festgestellt wurde, thematisierten die Postings von rechten Abgeordneten die Korruption. Sie äußerten sich darüber hinaus stark gegen die Arbeiterpartei (PT), die Partei des gewählten Präsidenten Lula;
  • Nicht nur die Themen, auf die jene gewählten Abgeordneten aller politischen Felder eingingen, unterscheiden sich, sondern auch die Art und Weise, wie sie die Inhalte veröffentlichen. Während die Postings rechter Abgeordneten zur Verallgemeinerung neigen und sich mit Themen auf allgemeiner Ebene befassen, sind die Beiträge der linken Abgeordneten spezifischer und sprechen Themen an, die eher auf ihre Wählerschaft ausgerichtet sind;
  • Die Studie weist darauf hin, dass die Leistung der Kandidat*innen bei den Wahlen in keinem direktem Verhältnis zur Menge an Interaktionen und Beiträgen auf den Plattformen steht.

 

2. Ergebnisse und diskussion

1) Interaktionen pro Abgeordnete auf Facebook

Das folgende Diagramm zeigt das Verhältnis zwischen den Interaktionen und der Anzahl von Postings. Unter den Profilseiten mit den größten Mengen an Interaktionen sind überwiegend gewählte Abgeordnete, die Anhänger*innen von Jair Bolsonaro sind, zu beobachten. Mit Beiträgen, die den damaligen Präsidenten verteidigen und Agenden ihrer Wahlkampagne betreffen, sorgte die Abgeordnete Carla Zambelli (PL-SP) für die meisten Interaktionen. Die Beiträge von Abgeordneten Marco Feliciano (PL-SP) und Carlos Jordy (PL-RJ) legten ebenfalls den Schwerpunkt ihrer Kampagnen auf die Wiederwahl Bolsonaros, erzeugten eine große Menge an Interaktionen und kritisierten die Kandidatur und die Anhänger*innen Lulas.

Diagramm 1 - Menge an Interaktionen und Postings auf Facebook pro gewählte Abgeordnete
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Auch in den Beiträgen von Abgeordneten, die Anhänger*innen vom gewählten Präsidenten Lula sind, stach das Thema des Präsidentschaftswahlkampfes hervor. In dieser Gruppe sind die Abgeordneten Gleisi Hoffmann (PT-PR) und André Janones (Avante-MG), deren Postings die Wahlkampagne Lulas unterstützten und den damaligen Präsidenten Bolsonaro kritisierten, hervorzuheben. Zu den Themen, die Janones am häufigsten ins Gespräch brachte, gehören die Auxílio Emergencial (Covid-Nothilfe) und die Mobilisierung für Maßnahmen, die soziale Netzwerke betreffen. Die Beiträge von Hoffmann, Präsidentin der Arbeiterpartei, die die Teilnahme Lulas an Veranstaltungen bzgl. des Wahlkampfs und an Fernsehsendungen zum Gegenstand hatten, waren diejenige, mit denen die Abgeordnete die meisten Interaktionen erreichte.

Es wurde keinen Zusammenhang zwischen den Wahlergebnissen und der Menge an Interaktionen auf der Plattform festgestellt. Obwohl die gewählten Abgeordneten, die sich in der Wahlkampagne auf Facebook heraushoben, eine ausgesprochene Anzahl an Stimmen erhielten, wurden andere Abgeordnete, die keine hervorstechende Teilnahme an der Wahlkampagne auf Facebook hatten, auch durch zahlreiche Stimmen gewählt. In der Tat war die Beteiligung der meisten gewählten Abgeordneten an der Wahlkampagne auf der Plattform niedrig. Nur 19 von den 499 Profilseiten erreichten über 1 Mio. Interaktionen während des Wahlkampfes.

Diagramm 2 - Menge an Interaktionen und Postings auf Facebook pro Partei
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Das angeführte Diagramm zeigt die Beziehung zwischen der Anzahl der Beiträge und der Interaktionen sowie den Anteil jeder Partei, der durch die Größe des Kreises dargestellt wird. Auch hier wird die Abwesenheit einer Korrelation zwischen den Wahlergebnissen und der Leistung auf den Plattformen deutlich. Obwohl die PL und die PT mit 99 bzw. 68 gewählten Abgeordneten die höchste Menge an Interaktionen aufweisen und die Parteien mit den meisten Sitzen im Kongress sind, liegen die anderen Parteien, die neben PL und PT zu den größten Fraktionen gehören, wie União Brasil (59) und PP (59), was die Menge an Interaktionen betrifft, hinter MDB (42), PSOL (12) und Avante (7).

Im Vergleich zu einzelnen Abgeordneten ist die Diskrepanz zwischen den erhaltenen Stimmen und den Interaktionen in den sozialen Netzwerken bei den Fraktionen weniger offensichtlich. Die Bewegung der Fraktionen folgt jedoch den prominentesten Abgeordneten der Parteien, was eher eine Konzentration des Engagements auf einige wenige Kandidat*innen als eine kohärente Mobilisierung zwischen den Kandidat*innen einer Partei erkennen lässt.

2) Hervorgehobene Themen auf Facebook

Die Analyse der Themen, die auf Facebook hervorstachen, erfolgte mithilfe einer Technik der Themenmodellierung, die auf linguistischen Modellen basiert. Dieses Modell stellt den Text in einem kontinuierlichen niedrigdimensionalen semantischen Raum dar und clustert die Dateien, um die vorherrschenden Themen zu finden. Die Darstellung jedes Themas wird mittels einer Klassifikation berechnet, die die Relevanz jedes Begriffs in dem Cluster, zu dem er gehört, berücksichtigt. Zu den relevantesten Themengruppen gehören die Beiträge zu Frauenrechten, Korruption, Ausbildung, Tierrechten, Suche nach kommunaler Unterstützung und Religion.

 

Diagramm 3 - Frauenrechte
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Die weibliche Wählerschaft, das Werben um ihre Stimmen und vor allem ihre Darstellung sind Themen, die in dieser Gruppe hervortraten. Die von Streitigkeiten zwischen verschiedenen Feldern geprägte Diskussion drehte sich um die Frage, welche Handlungen und Maßnahmen Frauen in der Politik wirksam repräsentieren könnten. Diese Mobilisierung wurde auf nationale Ebene gebracht, indem die Postings Lula und Bolsonaro ständig erwähnten und die Frage stellten, wer von beiden sich mehr um die für Frauen relevanten Agenden „kümmern“ würde.

Außerdem ist zu beobachten, dass die Art und Weise, wie rechte und linke politische Akteur*innen dieses Thema mobilisieren, sich unterscheidet: Während Abgeordnete der Linken spezifischer und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven, Realitäten und Erfahrungen auf Frauen verwiesen, setzten sich Abgeordnete der Rechten mit diesem Publikum allgemeiner auseinander.

Unter den Profilseiten, die diese Agenda am häufigsten thematisierten, sind die von Sônia Guajajara (PSOL-SP), Elcione Barbalho (MDB-PA), Carol Dartora (PT-PR), Célia Xakriabá (PSOL-MG) und Talíria Petrone (PSOL-RJ) hervorzuheben. Neben der Vorherrschaft des linken Spektrums ist eine Mehrheit nicht-weißer Frauen zu erkennen, die sich für eine antirassistische Agenda engagieren und sich mit Themen befassen, die für die weibliche Wählerschaft als relevant erachtet werden, und zwar auf intersektionelle Weise, indem sie Rassen- und ethnische Fragen in die Debatte einbeziehen. Dabei war die Opposition gegen Bolsonaro und die Behauptung, er sei frauenfeindlich, ebenfalls zu beobachten.

Die Beiträge mit den meisten Interaktionen stammen von den Profilseiten von Abgeordneten Jandira Feghali (PCdoB-RJ), Carla Zambelli (PL-SP), Carol de Toni (PL-SC), Marco Feliciano (PL-SP) und Talíria Petrone (PSOL-RJ). Das Gedenken an Marielle Franco und die Kritik an Bolsonaro fanden bei den linken Abgeordneten großen Anklang. Im rechten Feld führten Angriffe auf Simone Tebet und ihren angeblichen „Selbstbedienungsfeminismus“ sowie Kritiken an der PT die Diskussion an. Es ist zudem erwähnenswert, dass der evangelikale Pastor Marco Feliciano (PL-SP) der einzige Mann ist, dessen Postings zum Thema Frauenrechte auffallen.

 

Diagramm 4 - Korruption
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Ein starker „Anti-PTismus“, der vor allem durch das Antikorruptionsmotto geprägt ist, stand im Mittelpunkt dieser Themengruppe, deren Beiträge Begriffe wie „Trunkenbold und Dieb“, „ehemaliger Gefangener Lula“ und „Dieb Lula“ beinhalteten. Die Unterstützung für Bolsonaro und die Angriffe auf die Justiz waren ebenfalls gewöhnlich.

Carlos Jordy (PL-RJ) war ein wichtiger Akteur in dieser Diskussion, da er die Profilseite führt, die am häufigsten postete und die meisten Interaktionen erreichte. Unter Jordys Beiträgen stachen die wiederholten Veröffentlichungen von Bolsonaros Livestreams und Interviews hervor, ebenso wie die Verteidigung, dass Lula von Urteilen des Vorwurfs der Korruption nicht freigesprochen worden sei.

In der PL-Fraktion sind auch die Profilseiten von Luiz Lima (PL-RJ), Cabo Gilberto Silva (PL-PB), Marco Feliciano (PL-SP), Carla Zambelli (PL-SP) und Eduardo Bolsonaro (PL-SP) hervorzuheben, die unter den Profilseiten sind, die die meisten Interaktionen erreichten. Ihre Beiträge wurden durch Kritiken am Minister des Obersten Bundesgerichts (STF) Alexandre de Moraes wegen angeblichen Machtmissbrauchs, durch Angriffe auf Lula und auf die Rede Globo sowie durch die Unterstützung für Bolsonaro gekennzeichnet. Lindbergh Farias (PT-RJ), Gleisi Hoffmann (PT-PR) und André Janones (Avante-MG) vertraten die Opposition zu obengenannten Abgeordneten, indem ihre Beiträge die Geschichte Lulas lobten und verschiedene Maßnahmen, die vor allem im Zusammenhang mit Hilfeleistungen an die arme Bevölkerung von Bolsonaro ergriffen wurden, kritisierten.

Diagramm 5 - Bildung
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Das Thema deckt verschiedene Aspekte des brasilianischen Bildungswesens ab, von den Hommagen an Paulo Freire bis hin zu Beiträgen, die sich gegen die angebliche „Indoktrination im Klassenzimmer“ wenden. Zu den Profilseiten, die am häufigsten posteten, gehören diejenigen von Rubens Otoni (PT-GO), Professora Goreth (PDT-AP) und Tarcísio Motta (PSOL-RJ), die in gewissem Maße mit dem Linken im Dialog standen. Diese Abgeordneten thematisierten in ihren Beiträgen die verschiedenen Vorschläge zur Aufhebung der Gymnasialschulreform, zur Ausweitung des Fonds für die Aufrechterhaltung und Entwicklung der Grundbildung (Fundeb), zu Besprechungen mit Lehrer*innen und zur Alphabetisierung.

In den Beiträgen mit den meisten Interaktionen hingegen waren Streitigkeiten zwischen Akteur*innen aus diversen politischen Feldern zu beobachten. Unter diesen Akteur*innen hoben sich Tábata Amaral (PSD-SP), Gustavo Gayer (PL-GO), Carla Zambelli (PL-SP), Sâmia Bomfim (PSOL-SP) und Marcel Van Hattem (NOVO-RS) hervor. Während die Postings von Amaral und Bomfim Paulo Freire huldigten und die Lücken im brasilianischen Bildungswesen ansprachen, kritisierten Gayer, Zambelli und Van Hattem die Schließung von Schulen während der Pandemie und die angebliche politische Indoktrination im Klassenzimmer.

Diagramm 6 - Tierrechte
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Kastrationskampagnen, Maßnahmen gegen Misshandlung von Tieren und zur Erleichterung des Zugangs zur veterinärmedizinischen Versorgung waren die wichtigsten Agenden in den Beiträgen von gewählten Abgeordneten, deren Wahlkampagnen auf Tierrechte fokussierten.

Während konservative und mitte-rechts Abgeordneten eher allgemeine Agenden wie die oben erwähnten bevorzugten, neigten die progressiven Abgeordneten zu spezifischen Agenden. Sie erwähnten beispielsweise Projekte zum Verbot der Verwendung von Schusswaffen durch Jäger*innen, der Aufzucht von Vögeln in Käfigen und der Verwendung von Tierfell für Kleidung. Außerdem stuften sie Tiermisshandlung und -quälerei als abscheuliches Verbrechen ein.

Als Strategie zur Sensibilisierung potenzieller Wähler*innen wurde auch häufig über die Rettung von Tieren in gefährdeten Situationen berichtet. In der Regel waren diesen Beiträgen Fotos oder Videos beigefügt, die den Zustand des Tieres vor und nach der von Abgeordneten finanzierten Behandlung zeigten. Marcelo Cid Heráclito Queiroz (Progressive-RJ) war einer der Namen, die mit Agenden im Zusammenhang mit Tierrechten größere Sichtbarkeit erlangten, ebenso wie die Abgeordneten Matheus Laiola (União Brasil-PR), Duarte Jr. (PSB-MA), Bruno Ganem (Podemos-SP) und Nilto Tatto (PT-SP).

Diagramm 7 - Suche nach kommunaler Unterstützung
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

Wie die gesammelten Daten zeigen, war die Bemühung um Unterstützung auf kommunaler Ebene – bei Oberbürgermeister*innen, Stadträten und Gemeindevertreter*innen – eine weitere häufige Kampagnenstrategie. Die damaligen Kandidat*innen für den Nationalkongress erläuterten bei den Veranstaltungen ihrer Wahlkampagnen, welche oft in Begleitung Vertreter*innen lokaler Behörde stattfanden, was sie in ihren vergangenen Amtszeiten für die Region taten, z. B. Investitionen in das Gesundheits- und Bildungswesen, oder boten der lokalen Wählerschaft ein offenes Ohr für ihre dringenden Anliegen.

Sie versuchten, eine horizontale Beziehung zwischen sich und ihren potenziellen Wähler*innen herzustellen, um das Vertrauen zu schaffen, dass ihre Stimmen mit Unterstützung der lokalen Behörden in konkrete und relativ schnelle Maßnahmen für die betreffenden Städte und Gemeinden umgewandelt würden. Häufig wurde ebenso die Unterstützung ehemaliger Bürgermeister*innen und Stadträte beobachtet, auch bei der direkten Organisation von Wahlkampfveranstaltungen, als Mittel zur Übertragung von politischem Kapital auf die gewählten Bundesabgeordneten. Unter anderem fielen Luiz Eduardo Campos da Fonte (Progressistas-PE), Odair Cunha (PT-MG), Benes Leocádio (União-RN) und Bacelar (PV-BA) bei der Suche nach kommunaler Unterstützung auf.

Diagramm 8 - Religion
Analysierter Zeitraum: vom 16. August bis zum 2. Oktober 2022

Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

. Quelle: Facebook | Gestaltung: FGV-ECMI

In dieser Gruppe wurde ein starker Dialog der rechten Akteur*innen mit dem evangelikalen Publikum beobachtet. Dabei sind die Profilseiten von Marcelo Crivella (Republikaner-RJ), der am häufigsten Inhalte teilte, und von Fábio Teruel (MDB-SP), der die meisten Interaktionen erreichte, hervorzuheben. Diese Abgeordneten veröffentlichten Motivationsbeiträge mit Bibelstellen, die den Eindruck erwecken, dass „gute und große Dinge kommen werden“.

Die katholischen Pfarrer Padre João (PT-MG) und Chris Tonietto (PL-RJ) sind zwei weitere Beispiele von Abgeordneten, die häufig posteten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie in ihren Beiträgen eifrig Bibelstellen zitierten, wohingegen sie interessanterweise fast gegensätzliche Agenden verteidigen. Während der PT-Abgeordnete, der einer der wenigen religiösen Parlamentarier der Linken ist, den üblichen Grundsätzen seiner Partei folgte, führte Tonietto seinen bereits bekannten, intensiven Kampf gegen die Abtreibung, den Feminismus und die gleichgeschlechtliche Ehe.

Der bereits erwähnte Gospelsänger und Bundesabgeordneter für São Paulo Fábio Teruel (MDB-SP) veröffentlichte 41 von den 50 Beiträgen mit den meisten Interaktionen. Marco Feliciano (PL-SP), Carla Zambelli (PL-SP), Deltan Dallagnol (Podemos-PR), Abilio Brunini (PL-MT) und Bia Kicis (PL-SP) erlangten Sichtbarkeit in dieser Gruppe und trugen dazu bei, das Engagement der Rechten in der Debatte zur Religion aufrechtzuerhalten. Es ist bemerkenswert, dass André Janones (Avante-MG) der einzige Anhänger Lulas unter den Verfasser*innen der 50 Beiträge, die Bibelstellen beinhalten, war.

3. Fazit

Durch die Analyse von 75.335 Postings, die zwischen dem 16. August und dem 2. Oktober auf den Facebook-Profilseiten von 499 im Jahr 2022 in Brasilien gewählten Abgeordneten veröffentlicht wurden, untersucht diese Studie die wichtigsten Themen, die während des Wahlkampfes von den Abgeordneten, die von 2023 bis 2026 ihre Amtszeit im Kongress ausüben werden, diskutiert wurden.

Obwohl die meisten gewählten Abgeordneten die Plattform während des Wahlkampfs nutzten, war eine kleine Menge an Interaktionen auf ihren Profilseiten zu beobachten. Nur 19 Profilseiten gelang es, während des untersuchten Zeitraums mehr als 1 Million Interaktionen auf ihre Beiträge zu erreichen. Es wurde ebenfalls kein Zusammenhang zwischen der Leistung der Abgeordneten bei den Wahlen und der Anzahl von Interaktionen festgestellt. Die meistgewählten Abgeordneten sind nicht unbedingt unter denjenigen, die die meisten Interaktionen erreichten oder die meisten Beiträge teilten. Dies deutet darauf hin, dass die Plattform zwar eine wichtige Rolle im Wahlkampf in Brasilien spielt, es aber nicht möglich ist, allein durch sie Prognosemodelle für die Abstimmung zu erstellen.

Mithilfe der Analyse von den Themen der Beiträge betont die Studie ebenfalls die Nationalisierung des Wahlkampfs der Abgeordneten. Der Präsidentschaftswahlkampf zwischen Lula (PT) und Jair Bolsonaro (PL) drängte sich den Wahlkampagnen der Bundesabgeordneten auf, die sich wiederum von der Unterstützung der Präsidentschaftskandidaten Stimmen aus der Stammwählerschaft der jeweiligen Fraktion erhofften. Die Mobilisierung lokaler Unterstützer wie Bürgermeister*innen und Stadträte stellte ebenfalls eine digitale Kampagnenstrategie dar, die die Bedeutung regionaler Akteur*innen und politischer Bündnisse beim Wahlkampf in einem digitalen Umfeld unterstrich.

Es war ein Unterschied in der Art und Weise zu beobachten, wie die Themen je nach politischer Ausrichtung der Kandidat*innen behandelt wurden. Während die Anhängerschaft des damaligen Präsidenten Jair Bolsonaro die Themen Korruption und Religion mehrheitlich vertraten, positionierten sich diejenigen des gewählten Präsident Lula verstärkt zu Veröffentlichungen in Hinblick auf Frauenrechte und Bildung. Auch bei der Behandlung der Themen gab es Unterschiede zwischen den politischen Feldern: Die Abgeordneten der Linken behandelten die Themen mit spezifischen Ansätzen und Vorschlägen, während die Abgeordneten der Rechten zu allgemeinen Herangehensweisen neigten.

Unter den am häufigsten wiederkehrenden Themen fiel das Engagement der Nutzer*innen für Tierrechte auf, zum Nachteil von Themen wie Einkommensverteilung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Gesundheitswesen und Umwelt. Diese inhaltlichen Unterscheidungen deuten auf eine Strategie zur Nutzung von Facebook während des Wahlkampfs hin, die sich an ideologischen Aspekten und der Identifikation der Wählerschaft mit den Kandidat*innen orientierte. Es ist jedoch notwendig, breitere zeitliche Ausschnitte und eine größere Vielfalt an digitalen Plattformen zu untersuchen, um die Strategien digitaler Wahlkampagnen und deren Auswirkungen auf die Wahlergebnisse nachzuvollziehen.

 

4. Herausgeber

Forschungskoordination
Marco Aurelio Ruediger
Amaro Grassi

Forscher*innen
Mariana Carvalho
Leticia Sabbatini
Renato Contente
Lucas Roberto da Silva
Victor Piaia

Fachliche Prüfung
Renata Tomaz

Grafikdesign
Daniel Almada
Luis Gomes

 

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