Der Interaktionsvisualisierung zur Energie und Wasserkrise (Visualisierung 3) ist zu entnehmen, dass die Gruppe Blau, die aus offiziellen Profilseiten der Regierung, von Politikern, Kanälen konservativer Inhalte und offiziellen Kommunikationskanälen der Regierung besteht, über Investitionen der Regierung informierte. Dazu gehörten Wasserbauwerke und -projekte, insbesondere der Bau des Kanales Apodi und des Kanalnetzes von Ceará in den Bundesländern im Nordosten, und Meerwasserentsalzungsanlagen zur Gewinnung von Trinkwasser. Außerdem äußerte sich die Gruppe zur Teilnahme von Regierungsvertretern an internationalen Veranstaltungen, indem gleichzeitig auf neue Energietechnologien – Biogas, Wind- und Sonnenenergie – und die Möglichkeit hingewiesen wurde, dadurch mehr Arbeitsplätze zu schaffen und Brasilien als das Land mit einer der saubersten Energiematrizen der Welt zu etablieren.
Die Gruppe Grün, die aus durchschnittlichen Nutzern, Studierenden und Professoren besteht, kritisierte die föderale Regierung, weil diese den Gouverneuren die Verantwortung für die Warenumlaufsteuer (ICMS) übertrug und sowohl die Wasserkrise als auch den Anstieg der Strompreise missachtete.
Die Gruppe Rot, die durch Profilseiten traditioneller und alternativer Medienkanäle, linker Politiker, indigener/proindigener Organisationen und von Umweltaktivisten vertreten wird (wobei der Account @fiscaldoibama hervorzuheben ist) sah die Wasserknappheit als Folge der Verdrängung brasilianischer Biome durch den Ausbau der Agrarindustrie, wie in den Fällen von großen Sojaplantagen und Weideflächen für Viehfutter. In den Beiträgen wurde auch auf den ständigen Anstieg der Gas- und Strompreise hingewiesen, wobei die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Erhöhungen und die Verschärfung der sozialen Ungleichheit im Land hervorgehoben wurden. Außerdem wurde der brasilianische Präsident dafür kritisiert, dass er die Privatisierung von Eletrobras verteidigte.
Die Postings der Profilseiten der Gruppe Orange, die die Regierung in einem ironischen Ton kritisierten, betonten die verschiedenen aktuellen Krisen in Brasilien (Strom-, Gesundheits-, Politik- und Umweltkrise), vor allem die Wasserkrise, und machten die derzeitige Bundesverwaltung verantwortlich für die Begünstigung von privaten Unternehmen, Aktionären und Unternehmern. Darüber hinaus beschwerten sie sich über den Anstieg von Strom- und Spritpreisen, die Rationierung von Wasser und Strom sowie die Stromausfälle und die Hungersnot, wobei die Auswirkungen der Umweltprobleme auf die brasilianischen Städte und Haushalte auffielen.
Es ist bemerkenswert, dass auf Facebook die Energiefrage und die jüngste Wasserkrise durch offizielle Profilseiten der Regierung und von Politikern besonders häufig aufgegriffen wurden, die den Fokus auf mögliche erneuerbare und saubere Energiequellen – insbesondere Sonnenenergie und Biogas – legen. Sie behaupteten, dies sei eine Lösung für urbane Probleme und ein Mittel für die Entwicklung Brasiliens, da das Biogas eine Möglichkeit sein werde, den Müll in Großstädten zu reduzieren, während der Ausbau von Solarstromanlagen Arbeitsplätze schaffen könne.
Auf Twitter ließ sich feststellen, dass die Mobilisierung in den Gruppen Grün und Orange nicht politisiert war, d. h. die im politischen Szenario bekannten Akteure waren nicht Teil dieser Gruppen. Allerdings informierten die Beiträge dieser Gruppen ebenfalls über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Wasserkrise und gaben die Beschwerde über die Preissteigerung von Strom, Waren und Dienstleistungen wieder.
Die Beiträge gingen also, sowohl auf Facebook als auch auf Twitter, über die enge Verbindung zwischen der Energie-/Wasserkrise und der Trockenheit der Flüsse hinaus. Diese Postings thematisierten die Folgen der Energiefragen und der Wasserkrise für die Wirtschaft, die städtischen Zentren und die Lebensbedingungen brasilianischer Familien.
2.4: Brände und Umweltschäden
Die Analyse der Brände und der Umweltschäden konzentrierte sich auf die Debatte über jene Brände, die die brasilianischen Wälder während des untersuchten Zeitraums verwüsteten, sowie auf ihre möglichen Ursachen und die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Wildtiere der betroffenen Biome und auf die brasilianische Bevölkerung im Allgemeinen. In der Umweltdebatte auf Facebook wurden zwischen Juni und Mitte September 2021 etwa 1.830 Postings von öffentlichen Seiten und Gruppen zum Thema Brände und Umweltschäden in Brasilien veröffentlicht. Diese Beiträge erzeugten zusammen mehr als 12,9 Millionen Interaktionen, darunter Reaktionen, Kommentare und Shares. Die wichtigsten Profilseiten, die sich an dieser Debatte beteiligten, waren alternative Medienkanäle wie Mídia Ninja und Quebrando o Tabu, Nachrichtenportale mit wissenschaftlichen oder technologischen Inhalten wie Conexão Planeta und Olhar Digital sowie Kanäle von linken Politikern und regierungskritischen Bloggern wie Senator Humberto Costa (PT-SP), dem Kongressabgeordneten Marco Maia (PT-RS) und dem Journalisten Leonardo Sakamoto.
Das wichtigste Anliegen dabei war die Teilnahme des Präsidenten Jair Bolsonaro an der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) Ende September 2021 in New York. In den wichtigsten Beiträgen über den Besuch wurde hervorgehoben, dass ironische und wütende Kommentare über den Präsidenten während der Veranstaltung gemacht wurden. Es wurde daran erinnert, dass mehrere Anzeigen gegen Bolsonaro wegen Menschenrechtsverletzungen, z. B. was indigene Völker anbelangt, auf nationaler und internationaler Ebene erstattet wurden, wie bei den Vereinten Nationen (UN) und anderen internationalen Organisationen. Ein weiteres Thema, das von diesen Profilseiten angesprochen wurde, betraf den Regenmangel und die Brände, die Ende Juli 2021 die südliche Hälfte Brasiliens heimsuchten. Die Postings machten auf die Auswirkungen der Dürre auf die Tierwelt im Pantanal aufmerksam und zeigten z. B. die Bemühungen von Umweltschützern um die Bekämpfung des Feuers oder um die Rettung der Tiere in der Region auf. Einige davon wiesen darauf hin, dass Fachleute das Phänomen bereits prognostiziert hatten und es mit den Auswirkungen der globalen Klimakrise in Verbindung brachten.
Darüber hinaus ist die Präsenz von Profilseiten aus dem Umfeld der Regierung – wie von den Abgeordneten Filipe Barros (PSL-PR) und Carla Zambelli (PSL-SP) sowie vom konservativen Inhaltsportal Brasil Paralelo – zu erwähnen, auch wenn diese weniger Reichweite hatten. Ihre Beiträge lehnten mögliche Versuche ab, die Regierung für das trockene Wetter und die daraus resultierenden Brände im Amazonasgebiet während der Trockenzeit verantwortlich zu machen, da es sich um für Ende Juli typische Naturphänomene handelte. Der Ansicht dieser Gruppe nach seien die Behauptungen, dass die Entwaldung und die Brände in der Region unter der Regierung von Jair Bolsonaro zunehmen würden, unwahr gewesen.
Auf Twitter behandelten rund 2,56 Millionen Postings das Thema Brände und Umweltschäden im analysierten Zeitraum zwischen Juni und Mitte September 2021. Die erste größere Beteiligung an der Debatte fand am 23. Juni statt, als das Thema 87.000 Mal erwähnt wurde. An diesem Tag trat der Rechtsanwalt Ricardo Salles aus dem Umweltministerium zurück. Er wurde von der Opposition als einer der wichtigsten Verantwortlichen für die Umweltkrise der aktuellen Regierung bezeichnet.
Eine weitere starke Mobilisierung zum Thema Umweltschäden auf der Online-Plattform wurde am 9. August festgestellt, als die Debatte zu 70.300 Beiträgen führte. An diesem Tag wurde ein UN-Bericht über den Klimawandel bekannt, demzufolge die globale Erwärmung einen unumkehrbaren Punkt erreicht habe. Am selben Tag wurde die Debatte auch durch die Nachricht über einen Dammbruch im Bundesland Minas Gerais verstärkt.