Digitale Demokratie

Digitalisierung und Öffentlichkeit in Brasilien

Regulierung Digitaler Plattformen

Ein Beitrag zur Analyse der nationalen Debatte angesichts einer globalen Herausforderung

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1. Executive Summary

Zusammenfassung:
Die Studie untersucht die öffentliche Debatte auf Twitter über die Regulierung digitaler Plattformen in sozialen Netzwerken. Zwischen dem 1. Februar und dem 6. April 2022 wurden 1,14 Millionen Erwähnungen des Themas identifiziert. Das Ziel ist es, anhand von qualitativ und quantitativ analysierten Tweets zu verstehen, wie dieses Thema in den sozialen Netzwerken in der öffentlichen Debatte im Allgemeinen und von Abgeordneten behandelt wurde. Die Analyse zeigt, dass das Thema in den beiden beobachteten Gruppen unterschiedlich behandelt wurde. Außerdem deutet sie darauf hin, dass es im Vergleich zu anderen vom FGV DAPP untersuchten Themen noch wenig Resonanz findet und dass die Bedeutung der Regulierung von Plattformen bzw. sozialen Netzwerken für die beiden Gruppen noch unklar ist. In Brasilien konzentriert sich die Diskussion in sozialen Netzwerken eher auf Fragen der Zensur. Dadurch unterscheidet sie sich von der Literatur, die eher die Rechenschaftspflicht digitaler Plattformen in den Mittelpunkt stellt.

Schlüsselwörter:
Regulierung digitaler Plattformen. Digitale öffentliche Debatte. Soziale Netzwerke.

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

  • Zwischen dem 1. Februar und dem 6. April 2022 wurden 1,14 Millionen Erwähnungen der Debatte registriert, welche die Regulierung digitaler Plattformen auf Twitter betreffen;
    Sowohl in der allgemeinen Debatte als auch in den Beiträgen von Abgeordneten befassten sich die Tweets mit dem Gesetzesentwurf Nr. 2.630 aus dem Jahr 2020 (brasilianisches Gesetz über Freiheit, Verantwortung und Transparenz im Internet), der als PL der Fake News bekannt ist, und der vom Minister Alexandre de Moraes (Oberstes Bundesgericht) vorgeschlagenen Aussetzung des Betriebs von Telegram in Brasilien;
  • Ausgehend von einer vom Präsidenten Jair Bolsonaro in der Abgeordnetenkammer gehaltenen Rede wurde auch die Medienregulierung diskutiert, allerdings in einem geringeren Maße;
  • Mehr als die Hälfte der Profilseiten, die im untersuchten Zeitraum an der Twitter-Debatte über die Regulierung von Plattformen teilnahmen und für 82 % der betrachteten Interaktionen verantwortlich waren, kritisierten die Entscheidung vom Minister Alexandre de Moraes (Oberstes Bundesgericht), Telegram in Brasilien zu sperren; ein weiteres Ziel der Kritik in dieser Gruppe war der Abgeordnete Arthur Lira (PP-AL), der den Gesetzentwurf zu Fake News zur dringenden Abstimmung in der Abgeordnetenkammer stellte;
  • Die Twitter-Debatte unter Abgeordneten erwies mehr Beiträge zu dem Gesetzentwurf als zu anderen Themen wie der Telegram-Sperre, indem sie 65 % der gesamten Tweets in dieser Gruppe ausmachten;
  • Die Meinungen gegen den Gesetzentwurf und dessen dringende Abstimmung sind auf die Mitglieder der rechten Parteien zurückzuführen, während seine Befürworter oder diejenige, die für eine weitere Diskussion des Themas offen sind, Mitte- und Linksparteien angehören;
  • Es besteht immer noch Unklarheit darüber, was die Regulierung digitaler Plattformen oder sozialer Netzwerke bedeutet. Die Verwirrung zwischen Begriffen und deren Verwendung kommt sowohl bei brasilianischen Abgeordneten als auch bei Twitter-Nutzern im Allgemeinen vor;
  • Schließlich zeigt die Studie, dass die Debatte über die Regulierung digitaler Plattformen in Brasilien mit der Schwierigkeit zu kämpfen hat, über die Diskussion der Zensur hinauszugehen. In diesem Punkt unterscheidet sich die Debatte bei dem Thema von der Literatur, welche die Rechenschaftspflicht digitaler Plattformen in den Mittelpunkt stellt.

2. Vorstellung

In Brasilien wird die Regulierung von Technologieunternehmen wirksamer. Das Zivilgesellschaftliche Rahmenabkommen des Internets ein Gesetz zum Schutz der Bürgerrechte im Internet, gilt als eines der fortschrittlichsten der Welt. Das Brasilianische Allgemeine Datenschutzgesetz (LGPD) schuf Standards, die von Unternehmen und Regierungen bei der Erfassung und Verarbeitung personenbezogener und als sensibel eingestufter Daten wie ethnische Merkmale oder Herkunft, Religion und politische Orientierung zu befolgen sind, und gilt als ein weiterer Fortschritt in der brasilianischen Gesetzgebung zum Schutz der Bürgerrechte auf Meinungsfreiheit und Privatsphäre. Darüber hinaus ist der Schutz personenbezogener Daten seit Februar 2022 als Grundrecht anerkannt, was die Kraft der vom LGPD eingeführten Normen mit verfassungsrechtlicher Unterstützung verstärkt.

In Bezug auf die Rechtsvorschriften, die speziell auf digitale Plattformen abzielen, wird derzeit der Gesetzentwurf Nr. 2.630 aus dem Jahr 2020 im Kongress diskutiert. Er befasst sich mit dem brasilianischen Gesetz zur Freiheit, Rechenschaftspflicht und Transparenz im Internet, das als ‚Gesetzentwurf der Fake News‘ bekannt. Dieses hat den Zweck, Transparenznormen für Anbieter von sozialen Netzwerken, Suchmaschinen und Instant-Messaging-Diensten wie WhatsApp herzustellen, um die Grundrechte zu schützen und die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Dabei soll es nicht andere Rechte – wie beispielsweise das Recht auf Sicherheit – beeinträchtigen. Dieses Bemühen um die Regulierung des Internets bringt Brasilien anderen Ländern z. B. in Europa näher und kann die Genehmigung ähnlicher Vorhaben leichter machen.

Ende April 2022 beschloss die Europäische Union das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), welches neue Regeln festlegt, um die größten IT-Unternehmen für die Verbreitung illegaler Inhalte und die Risiken, die ihre Dienste für die Gesellschaft und die Bürger darstellen können, zur Rechenschaft zu ziehen. Unter den Maßnahmen ist vor allem hervorzuheben, dass Technologieunternehmen transparenter sein und den Regulierungsbehörden und unabhängigen Forschern Informationen zur Verfügung stellen müssen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Moderation von Inhalten und den Empfehlungsalgorithmus. Die Maßnahmen stellen sich somit gegen eine Selbstregulierungspolitik.

Infolge dieser Verordnung müssen die Plattformen den Nutzern Werkzeuge zur Verfügung stellen, die die Identifizierung illegaler Inhalte erleichtern, wie z. B. Anstiftung zum Terrorismus, Hassrede, Kindesmissbrauch und Geldbetrug. Das Gesetz regelt Werbeinhalte, die sich an Minderjährige richten, sowie Werbungen, die auf sensiblen persönlichen Daten wie Religion, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung basieren. Die neuen Vorschriften werden voraussichtlich 2024 in Kraft treten.

Einen weiteren Fortschritt in Europa stellt das Gesetz über Digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) dar, welches im März 2022 vom EU-Parlament beschlossen wurde und Regeln zur Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit auf digitalen Märkten festlegt. Das Abkommen zielt insbesondere darauf ab, die Macht der großen Technologieunternehmen durch neue Regeln für App-Shops, elektronischen Handel, Steuerung von Algorithmen, Suchmaschinen, Online-Werbung, Messaging und andere digitale Tools einzudämmen.

Während der DMA in der EU ein weiterer Versuch ist, die Technologiebranche zu regulieren, überwiegen in den Vereinigten Staaten die Interessen der großen Unternehmen. Die Meinungen im US-Kongress sind nach wie vor geteilt, wenn es um Wettbewerb, Datenschutz und Desinformation – neben anderen Themen, die Technologieunternehmen betreffen – geht.
Die vorliegende Studie untersucht die öffentliche Debatte über die Regulierung der digitalen Plattformen in sozialen Netzwerken. Ziel ist es, die Dynamik dieser Diskussion in Brasilien vor dem Hintergrund der internationalen Debatte zu verstehen. Im Hinblick auf dieses Szenario wurden zwischen dem 1. Februar und dem 6. April 2022 1,14 Millionen Erwähnungen des Themas auf Twitter analysiert.

Die Studie gliedert sich in sechs Abschnitte, von denen der erste die vorliegende Einleitung ist. Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die Debatte zur Regulierung sozialer Plattformen in Brasilien auf der Grundlage einer kurzen Literaturrecherche zum Thema. Im dritten Abschnitt wird die Methodik beschrieben, mit der die Twitter-Daten erfasst und analysiert wurden. Die Abschnitte vier und fünf bieten eine Analyse der allgemeinen und der parlamentarischen Debatte über das Thema und identifizieren die Hauptakteure rund um die Höhepunkte der Diskussion im untersuchten Zeitraum. Im letzten Abschnitt werden abschließende Überlegungen angestellt, welche, ausgehend von dem politischen Kontext und den jüngsten Diskussionen im brasilianischen Kongress, einige Besonderheiten der brasilianischen Debatte über die Regulierung von Plattformen betreffen.

3. Ergebnisse und Diskussion

1) Die Regulierungsdebatte in Brasilien

Die Debatte über die Regulierung von Plattformen, die in mehreren Ländern auf der ganzen Welt immer mehr an Bedeutung gewinnt, umfasst Fragen unterschiedlicher Art. Angesichts des exponentiellen weltweiten Wachstums der Big Tech seit den späten 1990er Jahren lassen Technologieunternehmen Bedenken hinsichtlich ihrer wirtschaftsrechtlichen Integrität aufkommen – insbesondere was Kartellverfahren anbelangt. Mit dem Aufkommen und der Ausweitung von Plattformen, die sich im Besitz dieser Unternehmen befinden, entstanden neue Bedenken in Bezug auf Politik, Arbeitsrecht, Bürgerrechte bzgl. dem Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre und die Kontrolle der Algorithmen, die von den Plattformen bisher selbst kontrolliert werden. Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion in Brasilien steht die Frage, wie Plattformen für Inhalte verantwortlich gemacht werden können, die von Nutzern gepostet werden und beispielsweise zu Gewalt und Hassreden aufstacheln. Diese Debatte wurde durch die Verbreitung der Desinformation und die Bearbeitung des Gesetzentwurfs Nr. 2.630 aus dem Jahr 2020 angefacht. Parallel dazu wirkt sich der noch junge Diskurs über die Regulierung der künstlichen Intelligenz, die am 28. April 2022 in einer öffentlichen Anhörung des Bundessenats erstmalig besprochen wurde, auch auf die allgemeine Diskussion über die Regulierung der digitalen Plattformen aus.

Während die Entwicklung entsprechender Gesetze langsam vorankommt, versuchen die Plattformen durch Selbstregulierungsmaßnahmen den Behörden und der Gesellschaft Antworten auf die überwältigenden Auswirkungen von Desinformationspraktiken wie die Verbreitung von Fake News und die starke Einmischung von automatisierten Accounts in die öffentliche Debatte zu geben. Solche Maßnahmen können einen Eindruck davon vermitteln, wie ein Modell, das ausschließlich von den Plattformen selbst reguliert wird, aussehen würde.

Der Dreiklang Selbstregulierung, Heteroregulierung und Ko-Regulierung ist diversen Regulierungsmodellen gemeinsam und umfasst Gesetze und Regeln, die von unterschiedlichen Instanzen festgelegt werden: der öffentlichen Hand, normalerweise ausgehend von einem Gesetzgebungsprozess, in der sogenannten Heteroregulierung oder öffentlichen Regulierung; den Dienstanbietern, die die Regeln selbst oder durch die Bestimmung eines vom Sektor anerkannten Branchenverbands festlegen (Selbstregulierung); oder einem Zusammenspiel zwischen den beiden, in der sogenannten Ko-Regulierung oder regulierten Selbstregulierung, je nachdem, wie viel Einfluss der eine oder der andere in dieser Kombination hat.

Die Perspektive der Selbstregulierung ist stark von Grundsätzen wie denen, die von John Perry Barlow in der sogenannten Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace (BARLOW 1996) dargelegt wurden, beeinflusst. Diese Grundsätze bestimmten das Modell des globalen Internets sowohl in seiner Entstehung als auch in der Phase der massiven Umsetzung seiner kommerziellen Anwendungen. Beeinflusst von den liberalen Idealen der USA geht die Erklärung von dem Gedanken aus, dass eine Regulierung als eine Form der Einschränkung der Meinungsfreiheit gelte (LEONARDI 2019). Die dezentralisierte oder verteilte Betriebslogik des Internets zum Zeitpunkt der Erstellung und Verbreitung der Erklärung unterscheidet sich jedoch stark von der Betriebslogik der heutigen digitalen Plattformen, die eine wachsende Tendenz zur Zentralisierung von Diensten und Datenaufkommen um große transnationale Wirtschaftskonglomerate herum erzwingen.

Parallel zu den einseitig von den Plattformen festgelegten Maßnahmen zielt der Gesetzentwurf Nr. 2.630, der als wichtigster in Brasilien in Arbeit befindlicher Gesetzesvorschlag zu diesem Thema gilt, auf das Phänomen der Desinformation ab. Er sieht das Modell der Selbstregulierung in Kombination mit der Leistung eines Rates vor, welcher für die Bestimmung von Richtlinien zur Rolle der Unternehmen bei der Moderation von Inhalten und bei der Verwaltung von Plattformen verantwortlich ist. Laut dem endgültigen Vorschlag des Bundessenats, der im März 2022 veröffentlicht wurde, soll die Bildung dieses Rates Teil der Aufgaben des Komitees für das Internet in Brasilien (CGI.br) sein.

Der Gesetzentwurf Nr. 2.630 wird als eine Initiative zur „sozialen Regulierung“ des Internets verstanden. Diese Art der Regulierung bezieht sich auf den „Eingriff, der nicht das unmittelbare Ziel hat, einen Markt zu regulieren, sondern Aspekte des Verhaltens von Subjekten in einem bestimmten Rechtsbereich“ (FARINHO 2020, S. 31). Die „Wirtschaftsregulierung“, ein traditionelles Feld der Regulierungsdoktrinen und -praktiken, bezweckt hingegen die

Anordnung wirtschaftlicher Tätigkeiten durch eine Kombination von Regeln und die Ausübung ebendieser durch bestimmte Rechtssubjekte, die darauf abzielen, sicherzustellen, dass diese Tätigkeiten unter Einhaltung bestimmter Ziele entwickelt werden, die sich aus einer Abwägung der in dem betreffenden Bereich vorhandenen Interessen ergeben und über diejenigen hinausgehen, die sich aus dem einfachen Funktionieren des Marktes ergeben würden (Ebd.).

Obwohl es noch kein etabliertes Modell gibt, plädieren verschiedene Autoren dafür, dass die künftigen Regulierungslösungen, die digitale Plattformen betreffen, Selbstregulierung mit Heteroregulierung kombinieren (FARINHO 2020; BELLI/ZINGALES 2017). Eine der Befürchtungen in der Regulierungsdebatte ist, dass die Justiz nicht mehr als Regulierungsbehörde gilt, was aktuell in der Praxis der Fall ist, denn es gibt keinen einheitlichen Regulierungsrahmen zur Orientierung beim Vorgehen der Plattformen. Angesichts von Gesetzeslücken wird das Rechtwesen dazu aufgerufen, anhand konkreter Fälle zu entscheiden. Somit entwickelt es in der Regel „den rechtlichen Ausgangsrahmen“, d. h. es genehmigt „weitere verwaltungsbezogene oder private Normen oder die Durchführung von verwaltungsbezogenen oder privaten Rechtsakten, die darauf abzielen, das Rechtssystem zu entwickeln“ (FARINHO 2020, S. 33).

Um diese Abweichung vom Zweck der Justiz zu vermeiden, muss ein kohärenter Regelungsrahmen geschaffen werden, der vorzugsweise global artikuliert ist – auch wenn die derzeitigen Gesetzesvorschläge in nationale (wie in Brasilien, Kanada und Deutschland) und internationale (wie in der Europäischen Union) Bemühungen aufgesplittet sind. Die Art und Weise, wie dies erreicht werden kann, ist genau das, was die aktuelle öffentliche Debatte versucht, aufzubauen, zu verbessern, zu reifen und gangbar zu machen.

In der Diskussion wird die Medienregulierung oft erwähnt, wobei der Schwerpunkt auf der Regulierung der Artikel Nr. 220 bis 224 der brasilianischen Verfassung liegt, welche das Kapitel über soziale Kommunikation bilden. Die Agenda zur Medienregulierung befasst sich vor allem mit der hohen Konzentration der Medienkanäle in den Händen einiger weniger Unternehmensgruppen, was der Art. 220, § 5 angreift, demzufolge „die Medien weder direkt noch indirekt einem Monopol oder Oligopol unterliegen dürfen“. Trotz dieser Verfassungsbestimmung herrscht in Brasilien eine sehr hohe Medienkonzentration, was die NGO Reporter ohne Grenzen im Jahr 2013 dazu veranlasste, es als „das Land der dreißig Berlusconi“ zu bezeichnen.

Ein weiteres Anliegen der Debatte über die Medienregulierung ist die Umsetzung der Bestimmungen des Artikels 221, Abschnitte II und III, die die Verpflichtung der Rundfunkdienste zur Förderung der regionalen Kultur und Inhalte „gemäß den gesetzlich festgelegten Prozentsätzen“ definieren. Allerdings stießen die jüngsten Gesetzesentwürfe und nationalen Debatten über die Medienregulierung, die versuchen, diese rechtlichen Prozentsätze zu definieren, auf Widerstand und den Vorwurf, die Zensur zu fördern (URUPÁ 2021; MILENA 2015; NEVES 2013).

Außerdem ist die Frage der Komplementarität zwischen öffentlich-rechtlichem, privatem und staatlichem Rundfunk, die in Art. 223 vorgesehen ist, Teil dieser breiten Debatte über die außerkonstitutionelle Regulierung der Medien.

2) Methodik

Aus methodischer Sicht konzentriert sich diese Studie auf die Untersuchung von Daten über soziale Netzwerke und insbesondere auf die Analyse der öffentlichen Debatte in digitalen Umgebungen über die Regulierung von Social-Media-Plattformen und Instant-Messaging-Diensten in Brasilien und, in geringerem Maße, über die Medienregulierung. Die Analyse besteht im Allgemeinen in der Erfassung und Untersuchung von Tweets, die sich in gewissem Maße mit der Frage der Regulierung befassen.

Siehe vollständige Methodik im PDF

3) Allgemeine Debatte auf Twitter

Der Vorschlag zur Regulierung digitaler sozialer Medienplattformen in Brasilien zieht nachweislich die Aufmerksamkeit der Plattformnutzer auf sich. Zwischen dem 1. Februar und dem 6. April 2022 wurden auf Twitter 1,14 Millionen Erwähnungen zu diesem Thema festgestellt. Zu zwei Zeitpunkten löste die Debatte eine starke Mobilisierung aus. Der erste, am 18. März, ergab 127.500 Tweets und war eine Reaktion auf die Entscheidung des Ministers des Obersten Bundesgerichts Alexandre de Moraes für die Aussetzung des Instant-Messaging-Diensts Telegram in Brasilien. Der zweite Zeitpunkt mit noch höherem Engagement war am 6. April, als 201.100 Beiträge gepostet wurden. Dabei ging es um die Entscheidung des Präsidenten der Abgeordnetenkammer Arthur Lira (PP-AL) für die Fortsetzung der Abstimmung über den Gesetzentwurf Nr. 2.630.

Diagramm 1 - Entwicklung der allgemeinen Twitter-Debatte über die Regulierung digitaler Plattformen
Analysierter Zeitraum: vom 1. Februar bis zum 6. April 2022

Made with Flourish

. Quelle: Twitter | Gestaltung: FGV DAPP

Im Allgemeinen waren die Entscheidungen sowohl von Moraes als auch von Lira die Zielscheibe von Angriffen auf der Plattform. Die beiden wichtigsten Hashtags, die in der Debatte verwendet wurden und auf den Gesetzvorschlag abzielten, waren #pl2630nao (in 275.600 Tweets) und #votoupl2630perdeumeuvoto (in 14.300 Tweets). Bezüglich der Entscheidung des Ministers waren die Hashtags #stfvergonhanacional (5.900 Tweets) und #moraestirano (5.200 Tweets).

Visualisierung 1- Interaktionen der Twitter-Debatte über die Regulierung digitaler Plattformen
Analysierter Zeitraum: vom 1. Februar bis zum 6. April 2022

Quelle: Twitter | Gestaltung: FGV DAPP

. Quelle: Twitter | Gestaltung: FGV DAPP

Blau ‒ 54,34 % der Profilseiten | 82,11 % der Interaktionen
Die von Politikern, Prominenten, Bloggern und rechtsorientierten digitalen Influencern mobilisierte Gruppe mit der höchsten Aktivität auf der Plattform – sowohl in Bezug auf die Anzahl der Profilseiten als auch auf das Engagement – kritisiert den Gesetzentwurf Nr. 2.630 aus dem Jahr 2020. Sie sieht diesen als Zensur und stellt die angebliche Dringlichkeit seiner Abstimmung durch die Entscheidung des Präsidenten der Abgeordnetenkammer Arthur Lira (PP-AL) infrage. Ein weiteres Ziel der Angriffe ist die Entscheidung des Ministers des Obersten Bundesgerichts (STF) Alexandre de Moraes, den Instant-Messaging-Dienst Telegram in Brasilien zu sperren, mit dem Vorwurf, die Maßnahme sei verfassungswidrig. Auch das Argument der Bekämpfung von Desinformation zur Unterstützung des sogenannten ‚Gesetzentwurfs zu Fake News‘ wird kritisiert, indem es als Vorwand eingestuft wird, um die Äußerungen von konservativen Profilseiten und Regierungsanhängern in sozialen Netzwerken zu beschränken.

Orange ‒ 20,49 % der Profilseiten | 9,84 % der Interaktionen
Die aus Profilseiten von regierungskritischen digitalen Aktivisten, Politikern, Journalisten und Bloggern zusammengesetzte Gruppe hält die durch das Oberste Bundesgericht angeordnete Telegram-Sperre für richtig, mit der Begründung, der Dienst habe gegen gerichtliche Bestimmungen in Brasilien verstoßen. Das orange Cluster behauptet, der Eigentümer des Dienstes selbst sei mit der Entscheidung einverstanden. Die Beiträge dieser Gruppe stellen die Empörung der regierungsnahen Akteure infrage, die im Vergleich zu ihrer Reaktion auf die steigenden Preise in Brasilien übertrieben gewesen sei. Außerdem zeigt sich die Gruppe einigermaßen zufrieden mit den von Plattformen wie Twitter und YouTube ergriffenen Maßnahmen zur Moderation konservativer Accounts und Seiten, die verantwortlich für die Verbreitung von Desinformation und Hassrede in sozialen Netzwerken seien.

Grün ‒ 7,20 % der Profilseiten | 3,21 % der Interaktionen
Die Aussetzung von Telegram in Brasilien löste Unmut in der Gruppe aus, die aus alternativen Medienkanälen, konservativen Politikern und Geschäftsleuten besteht. Sie interpretieren die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts als autoritär, da sie andere Nutzungsformen des Messengers – die nicht schädlich oder kriminell sind – nicht in Betracht gezogen habe. Die Profilseiten vergleichen die Entscheidung von Alexandre de Moraes mit den Regierungsmaßnahmen in Ländern wie Aserbaidschan, China und Russland, die als Beispiele für undemokratische Regime genannt werden. Einige Accounts engagieren sich für die Verhinderung der Verabschiedung des Gesetzentwurfs Nr. 2.630 im Kongress.

Rosa ‒ 3,27 % der Profilseiten | 1,12 % der Interaktionen
Die Gruppe, die sich aus Unterhaltungskanälen und Profilseiten von Fans der südkoreanischen Band Bangtan Boys zusammensetzt, sieht die Telegram-Sperre in Brasilien mit Sorge. Sie kritisiert ebenfalls die Intensivierung der Maßnahmen zur Moderation von Accounts und Seiten durch Plattformen wie YouTube und TikTok, deren Anliegen die Bekämpfung der Verbreitung von Fake News ist. Laut den Äußerungen dieser Gruppe könne die Entscheidung, wie die Moderationsmaßnahmen, negativ auf die Veröffentlichung und Verbreitung der Inhalte von Künstlern und Content Creators auswirken.

Lila ‒ 2,12 % der Profilseiten | 0,70 % der Interaktionen
Die aus Unterhaltungskanälen und gewöhnlichen Twitter-Nutzern bestehende Gruppe beklagt die Aussetzung von Telegram in Brasilien aufgrund der Auswirkungen, die dies auf die Literatur-Fangemeinden haben würde, die mithilfe des Dienstes Material verbreiten und Foren aufbauen können. Während einige Profilseiten die Sperrung von Accounts und Seiten durch Plattformen wie YouTube und Twitter mit dem Argument verteidigen, dass es sich um private Unternehmen handelt, berichten andere von Tricks, um die Moderation zu umgehen.

Gelb ‒ 2,02 % der Profilseiten | 0,66 % der Interaktionen
Die aus Unterhaltungskanälen und Profilseiten von gewöhnlichen Twitter-Nutzern zusammengesetzte Gruppe kommentiert und teilt Beiträge über spezifische Fälle von Moderation von Accounts und Inhalten, wie die polemischen Aussagen des YouTubers Monark über den Nationalsozialismus. Ebenso kommentiert werden die Maßnahmen zur Beschränkung der Interaktion von Nutzern, die von den Plattformen-Nutzern selbst ergriffen werden, wie die Entscheidung des Unternehmers Allan Jesus, Kommentare auf seiner Profilseite zu blockieren. In einigen Beiträgen wurden die Plattformen auch aufgefordert, Maßnahmen gegen Kanäle zu ergreifen, die angeblich Desinformation verbreiten.

4) Twitter-Debatte unter Abgeordneten

Um die von Parlamentariern auf ihren Twitter-Profilseiten geführte Diskussion über die Regulierung digitaler Plattformen zu analysieren, wurden alle Tweets von Abgeordneten und Senatoren zwischen dem 1. Februar und dem 6. April 2022 erfasst. Von den 65.145 Tweets dieses Zeitraums wurden 86 zu diesem Thema oder zu verwandten Themen wie Medienregulierung und Internetregulierung gefunden. Die Beiträge wurden von 45 Kongressmitgliedern – 44 Abgeordneten und einem Senator – getweetet oder retweetet.

In einer manuellen Analyse der Veröffentlichungen wurde festgestellt, dass die Entwicklung der parlamentarischen Debatte auf die zentralisierende Rolle des Gesetzentwurfs Nr. 2.630 hinweist. Die Erwähnungen dieses Themas am 5. und 6. April, als die dringende Abstimmung über den Gesetzentwurf in die Tagesordnung der Abgeordnetenkammer eingeführt (und am folgenden Tag abgelehnt) wurde, machen 65 % der gesamten Erwähnungen im untersuchten Zeitraum aus.

Diagramm 2 - Anzahl von Tweets über die Regulierung digitaler Plattformen pro Tag
Analysierter Zeitraum: vom 1. Februar bis zum 6. April 2022

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. Quelle: Twitter | Gestaltung: FGV DAPP

In diesen zwei Tagen sprachen sich die Kongressmitglieder der Parteien Novo, PL, PP, PROS, PSC und Republicanos gegen die Dringlichkeit der Abstimmung sowie den Gesetzentwurf selbst aus und nutzten das Hashtag #PL2630não; die Kongressabgeordneten der Parteien PcdoB, PSOL und PT hingegen waren dafür und nutzten die Hashtags #PL2630sim und #InternetSemFakenews. Darüber hinaus verteidigten Abgeordnete der Parteien MDB, PSB und Cidadania die Notwendigkeit von Änderungen des Gesetzentwurfs, bevor er dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt wurde, und stellten sich gegen die Dringlichkeit der Abstimmung, allerdings nicht gegen den Gesetzentwurf in seinem Kern.

Der Abgeordnete und Berichterstatter des Gesetzentwurfs Orlando Silva (PCdoB-SP) war das Kongressmitglied, das im analysierten Zeitraum die meisten Tweets teilte, welche wichtige Punkte des Gesetzentwurfs bewarben und erklärten. Ihm folgt der Kongressabgeordnete Eduardo Bolsonaro (PL-SP), der sich mehrfach gegen den Gesetzentwurf Nr. 2.630 aussprach und seine Anhängerschaft dazu mobilisierte, Druck für die Rücknahme des Dringlichkeitsantrags auszuüben.

Trotz einer viel geringeren Menge von Tweets gab es in der parlamentarischen Debatte weitere Höhepunkte: eine Aussage des Präsidenten Jair Bolsonaro zur Presse- und Internetfreiheit in einer Rede in der Abgeordnetenkammer und die Entlassung des Moderators des Podcasts Flow, Bruno Aiub, auch bekannt als Monark, nach Äußerungen, die als nazifreundlich angesehen wurden.

Die Rede des Präsidenten Jair Bolsonaro, die er am 2. Februar anlässlich der feierlichen Sitzung zur Eröffnung der Legislaturperiode im Nationalkongress hielt und die Kritik zur Medienregulierung beinhaltete, fand Widerhall in den sozialen Netzwerken durch die Unterstützung durch Abgeordnete der Partei PL. Der Kongressabgeordnete Camilo Capiberibe (PSB-AP) äußerte sich kritisch über die Haltung des Präsidenten.

Am 7. Februar verteidigte der Moderator Bruno Aiub die Idee, dass die Gründung einer nationalsozialistischen Partei in Brasilien möglich sein soll, in einer Folge des Podcasts Flow, an der die Abgeordnete Tabata Amaral (PSB-SP) und der Abgeordnete Kim Kataguiri (DEM-SP) teilnahmen. Der Moderator wurde aufgrund der negativen Rückmeldungen auf seine Aussage aus dem Programm entlassen. In den folgenden Tagen nutzten einige Parlamentarier Twitter, um den Fall zu kommentieren, im Zusammenhang mit Vorschlägen zur Medienregulierung, die vom Abgeordneten Padre João (PT-MG) verteidigt wurden. Dazu schlug die Abgeordnete Talíria Petrone (PSOL-RJ) die Regulierung von Plattformen vor und forderte eine Stellungnahme von YouTube.

In Bezug auf die Telegram-Sperre durch das Oberste Bundesgericht äußerte sich nur der Abgeordnete Sóstenes Cavalcante (PL-RJ) klar auf Twitter: Die Entscheidung des Ministers Alexandre de Moraes sei bedauerlich und als zensorischen Akt zu bewerten, wie er in den Hashtags #CensuraNao und #CensuraNuncaMais erwähnt.

Es wurden auch zahlreiche Postings beobachtet, die den ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und die PT angriffen. Am 9. Februar berichtete der Sender CNN Brasil darüber, dass Lula die Medienregulierung verteidige, gefolgt von den Nachrichtenportalen O Antagonista am 22. Februar und Jovem Pan News am 23. Februar. Diese Nachrichten wurden auf Twitter von Abgeordneten geteilt und lösten eine Debatte auf der Plattform aus.

Es ist erwähnenswert, dass Parlamentarier, die sich für die Regulierung digitaler Plattformen einsetzen, beobachteten und kommentierten, dass es eine Verwirrung bei der Verwendung von Begriffen im Zusammenhang mit diesem Thema gibt. Sie deuteten darauf hin, dass die Regulierung von diversen Abgeordneten als Zensur verstanden wird, was dazu führe, dass sie sogar die Debatte über das Thema ablehnten.

Das folgende Diagramm zeigt die Tendenz, dass sich Abgeordnete rechter Parteien, insbesondere der PL, im untersuchten Zeitraum gegen jede Art von Netz- und Medienregulierung aussprachen, oft mit Kommentaren, die sich auf Zensur und Meinungsfreiheit beziehen.

Diagramm 3 - Verteilung der Meinungen der Abgeordneten je nach Partei in der Twitter-Debatte über die Regulierung digitaler Plattformen
Analysierter Zeitraum: vom 1. Februar bis zum 6. April 2022

Made with Flourish

. Quelle: Twitter | Gestaltung: FGV DAPP

4. Fazit

Obwohl Brasilien über eine Gesetzgebung verfügt, die als fortschrittlich in Bezug auf die Rechte und den Schutz der Privatsphäre von Bürgern im Internet gilt, zeigen die jüngsten Diskussionen auf Twitter, dass die größte Herausforderung das mangelnde Verständnis von der Regulierung der digitalen Plattformen ist. Dies gilt nicht nur für die normalen Nutzer, sondern auch für die Parlamentarier, die Gesetze zu diesem Thema erlassen.

Ein Beispiel dafür ist die Verwendung des Begriffs ‚Regulierung‘ selbst. Dieser wurde häufig in einer verzerrten Weise genutzt, indem darunter eine Form der Zensur und somit eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit verstanden wurde. Darüber hinaus schienen die Themen der Regulierung digitaler Plattformen und der Medienregulierung nahe beieinander zu liegen, da sie gelegentlich synonym verwendet wurden, wobei einige Parlamentarier den Gesetzentwurf Nr. 2.630 als ein Werkzeug für die Medienregulierung statt der Regulierung digitaler Plattformen bezeichneten.

In diesem Sinne weist die Analyse auch auf eine nationale Agenda zur Regulierung digitaler Plattformen hin, die mit zwei anderen Debatten verknüpft ist: einer älteren, die die Medienregulierung betrifft, und einer neueren, die sich auf das Phänomen der Desinformation in digitalen sozialen Netzwerken konzentriert. In beiden Fällen ist die Debatte stark von den Dynamiken der brasilianischen institutionellen Politik geprägt.

Obwohl die diesbezüglichen Unterschiede in der brasilianischen Twitter-Debatte nicht offensichtlich sind, ist es notwendig, auf einige Besonderheiten dieser beiden Regulierungsformen hinzuweisen. Während die Medienregulierung die großen nationalen Konglomerate, die Inhalte produzieren (und die von der NGO Reporter ohne Grenzen als „die dreißig Berlusconi“ bezeichnet wurden), in den Mittelpunkt stellen, zielt die Regulierung digitaler Plattformen hauptsächlich auf transnationale, weltweit tätige Unternehmen ab, die einen großen Teil des gesamten Internetverkehrs auf sich konzentrieren und die von ihnen angebotenen Dienste selbst regulieren. Während der erste Fall eindeutig die nationale Ebene betrifft und politische Akteure, große Medienunternehmen und unabhängige Nachrichtenproduzenten einbezieht, hat der zweite Fall eine globale Relevanz und wird von einer politischen Dynamik beeinflusst, die sich zwar im Inland abspielt, aber Enthüllungen und Auswirkungen mit sich bringt, die über die nationale Debatte hinausgehen. Beispiele dafür sind die konsultative Volksbefragung zum Brexit im Vereinigten Königreich 2016 und die Wahlen in den USA 2016 und in Brasilien 2018.

Außerdem ließen sich Unterschiede feststellen, die in den einzelnen untersuchten Zielgruppen bei der Behandlung des Themas der Regulierung der Plattformen auftraten. Während die Telegram-Sperre eines der Hauptthemen der allgemeinen Debatte darstellte, wurde sie in den Tweets der Parlamentarier kaum erwähnt. In der Gruppe der Abgeordneten und Senatoren hatte die Diskussion über den Gesetzentwurf Nr. 2.630 eine größere Relevanz. Generell lässt sich feststellen, dass das Thema Regulierung digitaler Plattformen im Vergleich zu anderen von FGV DAPP bereits analysierten Themen (RUEDIGER/GRASSI 2020; RUEDIGER/GRASSI 2021; RUEDIGER 2021) auf Twitter noch wenig diskutiert wird. Die Debatte über die Regulierung digitaler Plattformen wies eine kleinere Anzahl von Erwähnungen pro Tag auf als die Debatten, die in vorherigen Studien analysiert wurden.

Vergleichende Studien über die öffentliche Diskussion in verschiedenen Ländern können helfen zu verstehen, ob die Agenda der Medienregulierung in der globalen Debatte über die Regulierung der Plattformen so relevant ist, wie es in Brasilien der Fall zu sein scheint. Die Regulierung von Plattformen ist eine globale Diskussion, auch wenn es unterschiedliche nationale Perspektiven gibt. Sie ist mit zahlreichen Faktoren verbunden, die je nach lokalem Kontext und je nach Resonanz im internationalen Kontext unterschiedlich gewichtet werden.

Das Problem der Desinformation zieht die Aufmerksamkeit eines Großteils der Welt auf sich. Allerdings scheinen Maßnahmen zur Prävention von Kartellrechtsverstößen eher in den Ländern des globalen Nordens, insbesondere in Europa, ergriffen worden zu sein. Sie tauchen in der brasilianischen Debatte im untersuchten Zeitraum kaum auf. Weitere Themen globaler Relevanz, wie die Verschärfung von ethnischen und Identitätskonflikten, standen in Ländern wie Myanmar und Sri Lanka im Vordergrund, waren aber weniger präsent in brasilianischen sozialen Netzwerken.

Derzeit steht in der brasilianischen öffentlichen Debatte über die Regulierung digitaler Plattformen auf Twitter eindeutig der Kampf gegen die sogenannten Fake News und die Abmilderung ihrer negativen Auswirkungen auf das demokratische Leben im Vordergrund. Obwohl der untersuchte Zeitraum einen großen Einfluss auf die Verabschiedung des Gesetzentwurfs Nr. 2.630 im Kongress hatte, gibt es keine Hinweise, dass die Sanktionierung dieses Gesetzes diese Schwerpunkte der brasilianischen öffentlichen Debatte über die Regulierung der Plattformen hemmen wird, da das Problem der Fake News komplex und umstritten ist und wahrscheinlich nicht von nur einem neuen Gesetz gelöst werden kann.

5. Literaturverzeichnis

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BARLOW, J. P.: Declaração de Independência do Ciberespaço, 8. Februar 1996. Verfügbar unter: http://www.dhnet.org.br/ciber/textos/barlow.htm. Letzter Zugriff am: 13. Mai 2022.

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6. Herausgeber

Forschungskoordination
Marco Aurelio Ruediger
Amaro Grassi

Forscher
Beatriz Pinheiro
Dalby Dienstbach
Leonor Jungstedt
Lucas Roberto da Silva
Marcela Canavarro
Paula Audibert
Polyana Barboza

Fachliche Prüfung
Renata Tomaz

Grafikdesign
Daniel Almada
Luis Gomes

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